Vorbeifahren an stehenden bzw. langsam fahrenden Kolonnen

Hintergrund

Die wenigsten Motorradfahrer haben während der Fahrt die Möglichkeit, sich per Radio oder Mobiltelefon über die aktuelle Verkehrslage zu informieren. Dadurch ist es ihnen nicht möglich, einen Stau weiträumig zu umfahren. Zudem sind Motorradfahrer den Witterungseinflüssen stärker ausgesetzt, als unsere Auto fahrenden Verkehrspartner. Gerade in den stauträchtigen Sommermonaten führt das Tragen spezieller Motorradbekleidung, das aus Gründen der Verkehrssicherheit gefordert wird, zu ernsten gesundheitlichen Beeinträchtigungen der im Stau wartenden Motorradfahrer.

Was wurde bisher unternommen?

In einem Briefwechsel zwischen dem Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen und der Biker Union e.V. wurde seitens des Ministeriums darauf hingewiesen, daß innerhalb geschlossener Ortschaften bei stehenden Kolonnen an den Kolonnenanfang vorgefahren werden kann. Mit Schreiben vom 21. Januar 1999 stellt das Ministerium folgendes klar:
"Innerorts gilt freie Fahrstreifenwahl. Es kann damit innerorts rechts schneller als links gefahren werden. Ist eine Fahrspur mit wartenden Fahrzeugen, beispielsweise vor der LZA (Lichtzeichenanlage) einer Kreuzung belegt, besteht damit kein Hinderungsgrund für den Kraftradfahrer auf dem daneben liegenden, freien Fahrstreifen vorbeizufahren / zu überholen, um weiter vorne auf den Fahrstreifen mit den wartenden Fahrzeugen einzuscheren. Sind alle Fahrstreifen mit wartenden Fahrzeugen belegt, ist jedoch der Fahrstreifen breit genug und bietet daher noch genügend Raum für einen Kraftradfahrer gefahrlos, ohne Behinderung der anderen Verkehrsteilnehmer, an der wartenden Fahrzeugschlange vorbeizufahren um sich weiter vorne aufzustellen, ist auch dies nicht ausgeschlossen.
Zum Überholen bzw. Vorbeifahren an wartenden Fahrzeugen muß der Fahrstreifen nicht gewechselt werden. Macht der Kraftradfahrer von der Möglichkeit des Vorbeifahrens / Überholens Gebrauch, hat er dabei jedoch die Grundregel des §1 Abs. 2 StVO zu beachten. Er muß sich dabei so verhalten, daß kein anderer Verkehrsteilnehmer geschädigt, gefährdet oder mehr als nach den Umständen unvermeidbar, behindert oder belästigt wird." (Zitatende)

Im Dezember 1999 befaßte sich der Bund-Länder-Fachausschuß auf erneutes Drängen der Biker Union e.V. mit dem Vorbeifahren außerorts. In dem ablehnenden Antwortschreiben ist dann zu lesen, daß weitere Lockerungen des Rechtsfahrgebots aus Verkehrssicherheitsgründen nicht befürwortet werden könnten. Wörtlich heißt es in dem Schreiben:
"So ist auch bei Stau mit unbedachtem Verhalten stehender Verkehrsteilnehmer zu rechnen. In Kolonnen stehende oder langsam fahrende Fahrzeuge wechseln oftmals plötzlich die Fahrspur, weil der Fahrer meint, daß die andere Fahrspur ein schnelleres Vorankommen ermöglicht. Zudem werden bei stehenden Fahrzeugen oftmals unvermittelt Türen geöffnet." (Zitatende)

Auf einer Veranstaltung des Instituts für Zweiradsicherheit e.V. anläßlich der Motorradmesse INTERMOT 2000 in München wurde von einem Juristen des ADAC darauf hingewiesen, daß die Rechtsauffassung des Verkehrsministeriums zum Überholen innerorts zumindestens strittig sei. Daher würden Motorradfahrer sowohl innerorts, als auch außerorts beim in der Praxis üblichen Vorbeifahren ein hohes zivil- und strafrechtliches Risiko tragen.

Die Forderung

Folgt man der Argumentation des Verkehrsministeriums, sollen also wieder einmal die Motorradfahrer für das Fehlverhalten der Autofahrer büßen. Jeder Fahrschüler lernt bereits vor der ersten Fahrstunde, daß man sich bei einem bevorstehenden Fahrstreifenwechsel durch einen Blick in den Spiegel sowie durch den Blick über die Schulter zu vergewissern hat, daß man dabei niemanden gefährdet. Die gleiche Vorgabe gilt beim Öffnen der Fahrzeugtür.

Deshalb fordert die MID - Motorradinitiative Deutschland e.V. und die in der MID zusammengeschlossenen Fahrerverbände die Bundesregierung auf, dem österreichischen Beispiel zu folgen und ein langsames Vorbeifahren an stehenden bzw. langsam fahrenden Kolonnen auf mehrspurigen Straßen innerhalb und außerhalb geschlossener Ortschaften rechtlich zweifelsfrei zu ermöglichen. Um unserer Forderung Nachdruck zu verleihen, haben wir zunächst eine Unterschriftenaktion gestartet. Diese wird durch begleitende Maßnahmen unterstützt.

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